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Alles eine Frage des „Wie?“ und „Wann?“ Ein theoretisches Modell zum Erklären der Effekte von digitaler Mediennutzung auf das Wohlbefinden der Nutzer/innen

Sarah Lutz, Frank M. Schneider und Peter Vorderer, Universität Mannheim

Was ist das Ausgangsproblem?

Die mittlerweile allgegenwärtigen mobilen Kommunikationsgeräte erlauben es einem immer größer werdenden Teil der Bevölkerung, nahezu ununterbrochen und überall mit anderen Menschen in Kontakt zu treten bzw. zu bleiben (Vorderer, Hefner, Reinecke, & Klimmt, 2018) – mit unterschiedlichen Folgen. Die aktuelle Forschungslandschaft dazu ist eher uneinheitlich und diskutiert diese Folgen durchaus kontrovers. So zeigen verschiedene Studien, dass diese permanente Verbundenheit sowohl unerwünschte als auch vorteilhafte Effekte für das Wohlbefinden der Nutzer/innen haben kann (z. B. Reinecke, 2018). Allerdings wurde noch nicht ausreichend systematisch untersucht, wie und wann die jeweiligen Effekte auftreten. Die zentrale Frage, der innerhalb dieses Beitrags nachgegangen wird, lautet daher: Durch welche Mechanismen und unter Einfluss welcher Randbedingungen treten unterschiedliche (positive wie negative) Effekte der Nutzung digitaler Medien ein? Beide Fragen werden im Folgenden zunächst getrennt voneinander erläutert und anschließend innerhalb eines Modells vereint.

Eine Frage des „Wie?“ – Durch welche Mechanismen können diese Effekte erklärt werden? 

Unter Rückbezug auf die Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan, 2000) wird angenommen, dass die Befriedigung versus Frustration fundamentaler Bedürfnisse ein zentraler Mechanismus im Zusammenspiel von Mediennutzung und Wohlbefinden darstellt. Auf der Grundlage dieser Theorie wird angenommen, dass Individuen grundsätzlich nach der Befriedigung von drei unterschiedlichen Bedürfnisse streben: Sie möchten sich kompetent fühlen (= Kompetenz), ihre eigenen Entscheidungen treffen (= Autonomie) und Teil einer sozialen Gruppe sein (= Zugehörigkeit). Weiterhin wird angenommen, dass eine Befriedigung dieser drei Bedürfnisse das Wohlbefinden verbessert, wohingegen deren Frustration negative Folgen für das Wohlbefinden hat (Vasteenkiste, Ryan, & Soenens, 2020). Verschiedene Studien haben gezeigt, dass diese Bedürfnisse auch durch die Nutzung digitaler Medien befriedigt bzw. frustriert werden können. So können soziale Netzwerkseiten einerseits dazu genutzt werden, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und somit das Bedürfnis nach Zugehörigkeit erfolgreich befriedigen (Reinecke, Vorderer, & Knop, 2014). Andererseits können diese Seiten auch eine Quelle der Bedürfnisfrustration sein, beispielsweise wenn Nutzer/innen keine Likes auf ihre geposteten Inhalte erhalten und sich infolgedessen „unverbunden“ fühlen (Schneider et al., 2017). Die Nutzung digitaler Medien bietet auch viele Potentiale im Hinblick auf die eigene Autonomie: Beispielsweise lässt sich die Vielfalt an ständig verfügbaren Online-Informationen nutzen, um sich eine politische Meinung zu bilden, Produkte miteinander zu vergleichen und Kaufentscheidungen zu treffen, Reisen zu organisieren oder ortsunabhängig mithilfe von IT-Technologien zu arbeiten. Auch das Kommunizieren mit anderen über Smartphones wurde mit einem befriedigten Autonomiebedürfnis und somit einem erhöhten Wohlbefinden in Verbindung gebracht (Meier, 2018). Hierfür spricht zum Beispiel, dass Nachrichten – im Vergleich etwa zu sogenannten Face-to-face-Aussagen – vor dem Absenden mehrmals überarbeitet und nach dem Versenden wieder gelöscht werden können. Andere Befunde deuten jedoch darauf hin, dass die Mobilkommunikation für die Bedürfnisbefriedigung auch hinderlich sein und nachteilige Effekte auf das Wohlbefinden haben kann, zum Beispiel, wenn sich Nutzer/innen unter Druck gesetzt fühlen, auf die Vielzahl eingehender Nachrichten unmittelbar antworten zu müssen (Halfmann & Rieger, 2019).Demnach kann als erstes Zwischenfazit festgehalten werden, dass die Befriedigung und Frustration der Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit eine große Rolle spielt, wenn es darum geht, die Effekte der digitalen Mediennutzung auf das Wohlbefinden zu erklären.  

Eine Frage des „Wann?“ – Welche Randbedingungen beeinflussen das Auftreten dieser Effekte?

Daraus ergibt sich in einem nächsten Schritt die Frage, wann die Nutzung digitaler Medien die fundamentalen Bedürfnisse eher befriedigt oder frustriert. Als entscheidender Faktor wird hier die Persönlichkeit der Nutzer/innen betrachtet. Abgleitet aus der Salutogeneseforschung (Antonovsky, 1987) – das heißt der Forschung dazu, wie Individuen trotz äußerer Anforderungen gesund bleiben anstatt krank zu werden – sind die Persönlichkeitsmerkmerkmale Achtsamkeit und Selbstkontrolle sowie der vom Individuum wahrgenommene Lebenssinn besonders relevant (Schneider, Halfmann, & Vorderer, 2019). Diese Resilienzfaktoren können in zweierlei Hinsicht zu einem besseren Wohlbefinden beitragen: Erstens helfen sie Personen, potentiell fordernde Situation als weniger stressig wahrzunehmen. Zweitens helfen sie, im Falle von wahrgenommenem Stress dennoch in der Lage zu bleiben, diese Situation erfolgreich zu bewältigen (Antonovsky, 1996). Folglich können diese Resilienzfaktoren auch bewirken, dass sie Nutzung digitaler Medien weniger als bedürfnisfrustrierend und verstärkt als -befriedigend wahrgenommen wird. Falls die Bedürfnisse der Nutzer/innen dennoch frustriert werden, können diese Faktoren dazu beitragen, dass das Wohlbefinden nicht in hohem Maße negativ beeinträchtigt wird. Als zweites Zwischenfazit kann demnach festgehalten werden, dass die Persönlichkeit der Nutzer/innen eine entscheidende Randbedingung des Zusammenspiels von digitaler Mediennutzung, Bedürfnisbefriedigung/-frustration und Wohlbefinden darstellt.

Wie lassen sich diese beiden Aspekte innerhalb eines Modells verbinden?

Anschließend sollen die zuvor aufgezeigten Mechanismen (Bedürfnisbefriedigung/
-frustration) und Randbedingungen (Achtsamkeit, Selbstkontrolle, wahrgenommener Lebenssinn) in einem Modell veranschaulicht werden. Abbildung vereint daher die Erkenntnisse der vorherigen Kapitel wie folgt: Ziel dieses Beitrags ist es, die Effekte der Nutzung digitaler Medien (linker Kasten) auf das Wohlbefinden der Nutzer/innen (rechter Kasten) zu erklären. Da die Befriedigung und Frustration der Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit ein zentraler Mechanismus darstellt, wurde diese zwischen der Nutzung und dem Wohlbefinden verortet. Während der Pfad „Bedürfnisbefriedigung“ in einem hohen Wohlbefinden resultiert, hat der Pfad „Bedürfnisfrustration“ nachteilige Effekte für das Wohlbefinden zur Folge. Wie bereits zuvor erläutert, dient die Persönlichkeit der Nutzer/innen als entscheidende Randbedingung dieses Zusammenspiels und kann in zweierlei Hinsicht Einfluss nehmen: Die linken Pfeile verdeutlichen, dass diese Resilienzfaktoren dazu führen, dass verstärkt der Pfad „Bedürfnisbefriedigung“ und seltener der Pfad „Bedürfnisfrustration“ eingeschlagen wird. Die rechten Pfeile zeigen, dass die Faktoren den positiven Einfluss der Bedürfnisbefriedigung auf das Wohlbefinden verstärken bzw. die negativen Folgen der Bedürfnisfrustration auf das Wohlbefinden abschwächen. 

Welchen Nutzen hat dieses Modell?

Dieses Modell ist in der Lage, die eingangs erwähnten uneinheitlichen Befunde genauer zu systematisieren. Dadurch kann nachvollzogen werden, aus welchen Gründen die Nutzung digitaler Medien manchmal mit einem erhöhten, manchmal jedoch auch mit einem verringerten Wohlbefinden in Verbindung steht. Dies ist nicht nur für die weitere Forschung auf diesem Gebiet hilfreich, sondern kann auch dazu dienen, den Nutzer/innen konkrete Handlungsempfehlungen zum Schutze ihres Wohlbefindens zu geben (z. B. die Stärkung ihrer Selbstkontrolle, um vermehrt eine Befriedigung der Bedürfnisse zu erfahren). 

 

Literatur

Antonovsky, A. (1987). San Francisco, CA: Jossey-Bass

Antonovsky, A. (1996). The salutogenic model as a theory to guide health promotion. https://doi.org/10.1093/heapro/11.1.11 

Deci, E. L., & Ryan, R. M. (2000). The “what” and “why” of goal pursuits: Human needs and the self-determination of behavior.
https://doi.org/10.1207/S15327965PLI1104_01 

Halfmann, A., & Rieger, D. (2019). Permanently on call: The effects of social pressure on smartphone users’ self-control, need satisfaction, and well-being.https://doi.org/10.1093/jcmc/zmz008

Meier, A. (2018). Alles eine Frage der digitalen Autonomie? Die Rolle von Autonomie in der digitalen Kommunikation für psychologische Grundbedürfnisse und psychische Gesundheit im Alltag.
https://doi.org/10.5771/1615-634X-2018-4-407

Reinecke, L. (2018). POPC and well-being: A risk-benefit analysis. In P. Vorderer, D. Hefner, L. Reinecke, & C. Klimmt (Eds.). New York, NY: Routledge. 

Reinecke, L., Vorderer, P., & Knop, K. (2014). Entertainment 2.0? The role of intrinsic and extrinsic need satisfaction for the enjoyment of Facebook use. 
https://doi.org/10.1111/jcom.12099 

Schneider, F. M., Zwillich, B., Bindl, M. J., Hopp, F. R., Reich, S., & Vorderer, P. (2017). Social media ostracism: The effects of being excluded online. https://doi.org/10.1016/j.chb.2017.03.052 

Schneider, F. M., Halfmann, A., & Vorderer, P. (2019). POPC and the good life. A salutogenic take on being permanently online, permanently connected. In J. A. Muñiz Velázquez & C. Pulido (Eds.). London, UK: Routledge.

Vansteenkiste, M., Ryan, R. M., & Soenens, B. (2020). Basic psychological need theory: Advancements, critical themes, and future directions.
https://doi.org/10.1007/s11031-019-09818-1 

Vorderer, P., Hefner, D., Reinecke, L., & Klimmt, C. (Eds.). (2018).
New York, NY: Routledge.

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