Arbeitsplätze
Julia Iser, Universität Mannheim
Digitale Technologien haben die Arbeitswelt revolutioniert. Während man früher ausschließlich am eigentlichen Arbeitsort wie beispielsweise dem Firmengebäude arbeiten konnte, ist heutzutage für viele Arbeitnehmende das Arbeiten zu jeder Zeit an jedem Ort möglich. Dadurch ist die strikte Trennung zwischen Arbeit und Privatleben für viele Berufstätige nahezu aufgehoben und die Grenzen zwischen diesen Lebensbereichen verschwimmen. Somit ist es z.B. problemlos möglich, vor der Arbeit in der Bahn schon einmal die beruflichen Mails zu beantworten oder am Feierabend noch schnell eine Präsentation fertig zu stellen. Das hat zur Folge, dass von vielen Arbeitnehmenden auch zunehmend Erreichbarkeit nach der eigentlichen Arbeitszeit erwartet wird.
In Zeiten der Corona-Krise sind diese Grenzen womöglich noch verschwommener als üblicherweise. Das Arbeiten im Home Office hat für viele Berufstätige den Arbeitsplatz ins eigene Zuhause verlagert. Im Gegensatz zur Zeit vor der Pandemie, als Arbeitnehmende meist nur selten von zuhause aus gearbeitet haben und das Home Office vielerorts als Privileg galt, sind aktuell manche Berufsgruppen seit Monaten vollständig im eigenen Heim beruflich tätig. Eine Befragung von Bitkom e.V. hat ergeben, dass während der Pandemie 25% der Berufstätigen permanent im Home Office tätig sind – im Gegensatz zu nur 3% vor der Pandemie (Bitkom e.V., 2020). Somit ist der Arbeitsplatz auch während der Arbeitszeit für viele Berufstätige nicht mehr an den eigentlichen Arbeitsort gebunden, was sowohl Risiken als auch Chancen birgt. Extern gesetzte Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben, die beispielsweise durch den Arbeitsort festgelegt werden, bestehen im Home Office nicht mehr.
Von welchen Arbeitsplätzen sprechen wir hier?
In unserem Forschungsprojekt betrachten wir Arbeitsplätze von Berufstätigen, die digitale Technologien auch in ihrer Freizeit für berufliche Zwecke verwenden – unabhängig davon, ob diese aktuell von zuhause aus arbeiten oder nicht. Diesen Arbeitnehmenden ist es grundsätzlich möglich, ihre Arbeit mittels digitaler Technologien wie beispielsweise dem beruflichen Laptop oder dem privaten Smartphone nachzugehen. Damit werden gewisse Arbeitsplätze u.U. ausgeklammert, wie z.B. industrielle oder handwerkliche Berufe. Das liegt daran, dass uns besonders interessiert, wie Arbeitnehmende diese digitalen Technologien in ihrer Freizeit verwenden und wie sich die Nutzung von mobilen Geräten in der arbeitsfreien Zeit auf ihr Wohlbefinden auswirkt. Daher betrachten wir v.a. Arbeitsplätze, deren (Büro-) Arbeit vornehmlich über PCs oder andere digitale Technologien erfolgt.
Was wissen wir über das Wohlbefinden von Berufstätigen bei solchen Arbeitsplätzen?
Durch digitale Technologien haben sich neue und zusätzliche Anforderungen an Arbeitnehmende und ihre Arbeitsplätze ergeben, wie beispielsweise die Möglichkeit jederzeit von Kolleg*innen oder Kund*innen erreichbar zu sein. Welche zusätzlichen Arbeitsanforderungen entstehen und wie sich diese auf das Wohlbefinden auswirken, haben Arla Day und ihre Kolleginnen in einer Studie untersucht (Day et al., 2012). Sie konnten eine Reihe von Anforderungen an Arbeitnehmende identifizieren, die durch mobile Geräte entstehen, von denen ich auf drei kurz eingehen möchte. Erstens ergeben sich wie bereits angesprochen Anforderungen an die Erreichbarkeit von Berufstätigen. Obwohl mobile Geräte die Flexibilität von Arbeitsplätzen erhöhen, wächst damit auch die Erwartung an Arbeitnehmende, jederzeit kontaktiert werden zu können. Erreichbarkeit geht damit auch mit einer Erwartung an die Beantwortung von Mails und Anrufen einher. Zweitens steigt durch digitale Technologien das wahrgenommene Arbeitspensum, da beispielsweise das Arbeiten auch am Feierabend möglich ist und somit der Arbeitstag in den Abend ausgeweitet werden kann. Drittens zählen Probleme bei der Technologienutzung zu den zusätzlichen Anforderungen, die durch digitale Technologien entstehen. Hier sind funktionale Probleme mit der Technologie selbst gemeint, z.B. durch häufiges Abstürzen des Laptops oder Probleme mit der Internetverbindung. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Erwartung einer Antwort auf eine Mail oder einen Anruf mit erhöhtem Zynismus – einer Komponente von Burnout – zusammenhängt. Ein erhöhtes Arbeitspensum durch digitale Technologien und Probleme bei der Technologienutzung gehen mit erhöhtem Stress, Erschöpfung und Zynismus einher. Das bedeutet, dass die beschriebenen Anforderungen mit einem geringeren Wohlbefinden zusammenhängen. Die Autorinnen konnten jedoch auch einen Faktor finden, der den Einfluss der Anforderungen auf das geringere Wohlbefinden abmildert: Organisationale Unterstützung bei der Technologienutzung vermindert den Zusammenhang von Anforderungen durch digitale Technologien und eingeschränktem Wohlbefinden. In der Studie wurde hier z.B. die Bereitstellung von aktuellen und modernen Geräten oder die Einrichtung eines IT-Supports betrachtet. Das bedeutet, dass Organisationen Einfluss auf das Stressempfinden ihrer Mitarbeitenden nehmen können, auch dann, wenn diese zusätzlichen Anforderungen durch die Nutzung von digitalen Technologien ausgesetzt sind.
Arbeitsplätze haben sich aber nicht nur im Hinblick auf die zusätzlichen Anforderungen, die durch digitale Technologien entstehen, verändert, sondern auch in Bezug auf den Arbeitsort. Wie bereits angesprochen, ist das Arbeiten von zuhause aus heutzutage aufgrund technologischer Entwicklungen möglich. Diese digitalen Technologien ermöglichen es den Arbeitnehmenden, ihrer Arbeit flexibel im Home Office nachzugehen. Das Arbeiten zuhause über digitale Technologien bringt verschiedene Vor- und Nachteile mit sich (vgl. hierzu Charalampous et al., 2019). Einerseits kann die Arbeit im Home Office das Wohlbefinden fördern, da beispielsweise bei Aufgaben, die Konzentration erfordern, weniger Unterbrechungen durch Kolleg*innen oder Vorgesetzte erfolgen und so diese Arbeitsaufgaben besser gelöst werden können – vorausgesetzt natürlich, man wird nicht durch Personen im Haushalt wie z.B. Kinder von der Arbeit abgelenkt. Vorteilhaft ist außerdem, dass lange Pendelzeiten wegfallen, was zu höherer Arbeitszufriedenheit und weniger Stress beitragen kann. Andererseits kann die Tätigkeit im Home Office das Wohlbefinden gefährden, da das Arbeiten zuhause zu sozialer Isolation beitragen kann, weil Interaktionen am eigentlichen Arbeitsplatz fehlen. Zudem ist es möglich, dass geeignetes ergonomisches Equipment wie beispielsweise Bürostühle zuhause nicht vorhanden ist, was zu Rückenproblemen führen kann.
Was ist nun richtig, fördert oder behindert das Arbeiten im Home Office das Wohlbefinden? In einer Meta-Analyse, also einer Studie, die zahlreiche Studien mathematisch zusammenfasst, konnte u.a. gezeigt werden, dass Zusammenhänge von Arbeiten im Home Office mit gesteigerter Arbeitszufriedenheit und geringerer Kündigungsabsicht bestehen und diese Zusammenhänge durch gesteigerte Autonomie und verminderte Konflikte zwischen Arbeit und Familie erklärt werden können (Gajendran & Harrison, 2007). Die Autoren schlussfolgern daher, dass Arbeiten im Home Office v.a. positive Konsequenzen hat. Ein wichtiger Faktor bei der Arbeit im Home Office scheint insbesondere gesteigerte subjektiv wahrgenommene Autonomie zu sein, also inwiefern Berufstätige Kontrolle darüber haben, wie sie ihre Arbeit verrichten. Es konnte beispielsweise gezeigt werden, dass die Dauer der im Home Office geleisteten Arbeitszeit mit höheren wahrgenommenen Konflikten zwischen Arbeit und Familie einhergehen, also inwiefern Arbeit das Familienleben beeinträchtigt (Golden et al., 2006). Diese Assoziation ist jedoch geringer für Personen, die hohe Autonomie empfinden, d.h. der Zusammenhang zwischen Arbeit im Home Office und Konflikt zwischen Arbeit und Familie wird bei hoher Autonomie abgemildert. Autonomie im Home Office scheint also ein wichtiger Faktor für das Wohlbefinden von Berufstätigen zu sein.
Ihnen dürfte aufgefallen sein, dass ich bei der Beschreibung der Auswirkungen von Arbeiten im Home Office bisher nur Studien zitiert habe, die vor 2020 erschienen sind – also vor Beginn der Corona-Pandemie. Die Arbeit im Home Office vor der Pandemie und während der Pandemie lässt sich jedoch nur bedingt vergleichen. Gerade persönliche Autonomie könnte durch die Pandemie eingeschränkt sein, weil Home Office nun in vielen Unternehmen zur Pflicht geworden ist und statt nur an wenigen Tagen die Woche bei vielen Arbeitnehmenden fast vollständig zuhause gearbeitet wird (Kniffin et al., 2021). Die Herausgeber*innen des Journal of Vocational Behavior vermuten, dass durch die Pandemie zwangsläufig auch Berufsgruppen ins Home Office gehen mussten, die vorher überhaupt keine Erfahrung damit gemacht haben (z.B. Lehrer*innen) oder die es vorgezogen haben, nicht von zuhause zu arbeiten (Kramer & Kramer, 2020). Dass Berufstätige von ihrem Arbeitgeber regelrecht dazu gezwungen werden, im Home Office zu arbeiten, kann natürlich auch einen Einfluss auf ihr Wohlbefinden haben. Bisher gibt es nur wenige Studien zum Thema Home Office während der Corona-Pandemie, weshalb hier noch keine gesicherte Aussage möglich ist. In einer Tagebuchstudie von Chong und Kolleg*innen mit 120 Berufstätigen im Home Office konnte gezeigt werden, dass Verzögerungen bei der Erledigung von Arbeitsaufgaben, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stehen (z.B. durch den Lockdown oder Social-Distancing-Regeln), mit einer erhöhten emotionalen Erschöpfung der Arbeitnehmenden einhergehen (Chong et al., 2020). Das bedeutet, dass die Pandemie und die Arbeit im Home Office sehr wohl einen Einfluss auf das Wohlbefinden von Berufstätigen hat. Zukünftige Forschung wird hier zeigen, welche individuellen oder organisationalen Faktoren Berufstätigen die Arbeit im Home Office zu Pandemie-Zeiten erleichtern.
Wie werden sich Arbeitsplätze in Zukunft entwickeln?
Obwohl die Corona-Pandemie große Veränderungen sowohl in der Arbeitswelt als auch im Privatleben vieler Bürger*innen hervorgerufen hat, hoffen wir natürlich alle, dass wir zeitnah zur Normalität zurückkehren können. Doch was ist eigentlich „Normalität“? Werden wir alle wieder fünf Tage in der Woche im Büro sitzen? Viele Berufstätige wünschen sich, dass die Arbeit im Home Office auch nach der Pandemie weiterhin möglich sein wird. Die erlebten Vorteile des Arbeitens von zuhause aus (z.B. keine Pendelzeiten) haben viele Arbeitnehmende während der Pandemie schätzen gelernt. Andere Berufstätige hingegen hoffen darauf, so schnell wie möglich wieder einen geregelten Arbeitsablauf an ihrem ursprünglichen Arbeitsort haben zu können, damit beispielsweise der Austausch mit Kolleg*innen wieder einfacher möglich ist. Manche Personen würden vielleicht ein hybrides Modell bevorzugen, bei dem teilweise am Arbeitsort und teilweise zuhause gearbeitet wird. Was können wir nun aus früheren Forschungsergebnissen für die Zeit nach der Pandemie lernen? Wie bereits dargestellt, scheint es wichtig zu sein, dass das Autonomieempfinden der Arbeitnehmenden vorhanden bleibt. Das bedeutet, dass Berufstätige so weit wie möglich Kontrolle darüber empfinden sollten, wie und wo sie ihrer Arbeit nachgehen. Daher bringt es nichts, wenn Unternehmen ihre Mitarbeitenden nach der Pandemie zum Home Office zwingen oder das Arbeiten zuhause komplett verbieten. Idealerweise sollten Arbeitnehmende selbst Einfluss darauf nehmen können, wie oft sie im Home Office tätig sein möchten, sofern das im jeweiligen beruflichen Kontext möglich ist. Ein Faktor, der hier relevant sein könnte, ist die persönliche Präferenz, inwiefern Personen es bevorzugen, strikte Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben zu setzen (weitere Informationen dazu finden Sie hier). Während manche Berufstätige es präferieren, eine klare Grenze zwischen diesen Lebensbereichen zu setzen und somit möglicherweise lieber am eigentlichen Arbeitsort tätig sind, ziehen es andere Arbeitnehmende vor, flexibel zwischen Beruflichem und Privatem zu wechseln, weswegen diese vielleicht eher eine Vorliebe für die Arbeit im Home Office haben. Wichtig scheint auch hier zu sein, dass Personen selbst die Kontrolle darüber haben, wie sie die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben gestalten. Daher sollten Unternehmen ihre Mitarbeitenden individuell miteinbeziehen, wenn es um deren persönliche Home-Office-Regelung geht. Inwiefern sich Arbeitsplätze tatsächlich in diese flexible Richtung entwickeln werden, wird sich mit der Zeit zeigen.
Fazit
Arbeitsplätze haben sich durch den Einsatz von digitalen Technologien grundlegend verändert. Zum einen entstehen neue Anforderungen an Arbeitnehmende, die mit der Nutzung der entsprechenden Geräte einhergehen. Unterstützung des Arbeitgebers kann den Zusammenhang dieser Anforderungen mit vermindertem Wohlbefinden jedoch abmildern. Zum anderen bieten digitale Technologien aber auch die Chance ortsunabhängig zu arbeiten, was insbesondere in Zeiten der Pandemie zum Schutz der arbeitenden Bevölkerung vor einer Infektion mit dem Corona-Virus beiträgt. Es scheint bei der Arbeit zuhause besonders wichtig zu sein, dass man selbst die Kontrolle darüber hat, ob und wie man Arbeit im Home Office erledigt. Während der Pandemie kann es deshalb von Vorteil sein, wenn Arbeitgeber*innen die Autonomie ihrer Mitarbeitenden weitgehend erhalten lassen und nicht zusätzliche Kontrollmechanismen zur Überwachung der Arbeit im Home Office einführen. Für die Zeit nach der Pandemie sollten Unternehmen ihren Mitarbeitenden selbst die Entscheidung überlassen, wie oft diese im Home Office tätig sein wollen.
Referenzen
Bitkom e.V. (2020, Dezember 8). Mehr als 10 Millionen arbeiten ausschließlich im Homeoffice. https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Mehr-als-10-Millionen-arbeiten-ausschliesslich-im-Homeoffice
Charalampous, M., Grant, C. A., Tramontano, C., & Michailidis, E. (2019). Systematically reviewing remote e-workers’ well-being at work: A multidimensional approach. European Journal of Work and Organizational Psychology, 28(1), 51–73. https://doi.org/10.1080/1359432X.2018.1541886
Chong, S., Huang, Y., & Chang, C.-H. (Daisy). (2020). Supporting interdependent telework employees: A moderated-mediation model linking daily COVID-19 task setbacks to next-day work withdrawal. Journal of Applied Psychology, 105(12), 1408–1422. https://doi.org/10.1037/apl000084
Day, A., Paquet, S., Scott, N., & Hambley, L. (2012). Perceived information and communication technology (ICT) demands on employee outcomes: The moderating effect of organizational ICT support. Journal of Occupational Health Psychology, 17(4), 473–491. https://doi.org/10.1037/a0029837
Gajendran, R. S., & Harrison, D. A. (2007). The Good, the Bad, and the Unknown About Telecommuting: Meta-Analysis of Psychological Mediators and Individual Consequences. Journal of Applied Psychology, 92(6), 1524–1541. https://doi.org/10.1037/0021-9010.92.6.1524
Golden, T. D., Veiga, J. F., & Simsek, Z. (2006). Telecommuting’s differential impact on work-family conflict: Is there no place like home? Journal of Applied Psychology, 91(6), 1340–1350. https://doi.org/10.1037/0021-9010.91.6.1340
Kniffin, K. M., Narayanan, J., Anseel, F., Antonakis, J., Ashford, S. P., Bakker, A. B., Bamberger, P., Bapuji, H., Bhave, D. P., Choi, V. K., Creary, S. J., Demerouti, E., Flynn, F. J., Gelfand, M. J., Greer, L. L., Johns, G., Kesebir, S., Klein, P. G., Lee, S. Y., … Vugt, M. van. (2021). COVID-19 and the workplace: Implications, issues, and insights for future research and action. American Psychologist, 76(1), 63–77. https://doi.org/10.1037/amp0000716
Kramer, A., & Kramer, K. Z. (2020). The potential impact of the Covid-19 pandemic on occupational status, work from home, and occupational mobility. Journal of Vocational Behavior, 119. https://doi.org/10.1016/j.jvb.2020.103442