Bürgerpanel Kiosk
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Erreichbarkeit (Bürgerpanel)

Anke Greif-Winzrieth, KIT

Ziel des Projekts digilog@bw ist es, die Digitalisierung im Dialog mit der Gesellschaft zu gestalten, um so die Grundlagen für einen werteorientierten digitalen Wandel zu schaffen. Doch gerade in Zeiten der Pandemie und der sozialen Distanzierung, wenn zahlreiche Veranstaltungen nicht oder nur sehr eingeschränkt stattfinden können, ist es eine besondere Herausforderung Bürgerinnen und Bürger zu erreichen. Es gilt, neue Wege zu finden, um in einen fruchtbaren Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu kommen – unter den pandemiebedingten Einschränkungen und darüber hinaus.

Zwar stellt die Pandemie die Beziehung zwischen Wissenschaft und Bevölkerung in vielerlei Hinsicht in Frage, aber sie birgt auch - wie jede Krise - Potenziale und Chancen. So zeigt beispielsweise das aktuelle Wissenschaftsbarometer Corona Spezial, dass das Vertrauen der Bevölkerung in Wissenschaft und Forschung im Vergleich zu den Vorjahren deutlich gestiegen ist1. Über das generelle Interesse hinaus gab bereits 2019 die Hälfte der Befragten an, gerne einmal aktiv in einem wissenschaftlichen Forschungsprojekt mitforschen zu wollen2. Die Möglichkeit zur aktiven Partizipation am wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn birgt großes Potential: Wissenschaftler:innen können die Kompetenz und Kreativität der Bürger:innen erschließen, Wissenschaft wird für Bürger:innen erfahrbar und gemeinsam kann es gelingen, die Wissenschaft zu demokratisieren. Doch zunächst stellt sich eine zentrale und grundlegende Frage: Wie erreichen wir als Wissenschaftler:innen Sie, die Bürger:innen oder umgekehrt, wie erreichen Sie, als interessierte Bürger:innen mit Ihren Forschungsideen oder und Forschungsfragen uns?

Für empirischen Studien im Bereich der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften müssen gezielt Proband:innen rekrutiert werden. Einen zentrale Rolle hierbei spielen Studierende als Teilnehmer:innen. Sie sind in der Regel leicht erreichbar (z.B. über Lehrveranstaltungen oder soziale Medien), terminlich flexibel, forschungsinteressiert und mit vergleichsweise geringen monetären Anreizen für die Teilnahme an empirischen Studien zu begeistern. Ihre Rolle als Teilnehmer:innen besteht meist lediglich darin, Daten zu „generieren“, indem sie Fragebögen ausfüllen oder in bestimmten Kontexten Entscheidungen treffen. Man könnte sie daher auch als „Datenlieferant:innen“ bezeichnen, die nicht weiter in die Forschungsarbeit einbezogen werden – das Aufwerfen der Forschungsfragen obliegt, genau wie die Auswertung und Interpretation der Daten den Wissenschaftler:innen. Gleiches gilt auch für Panel mit einer repreäsentativen Stichprobe der Gesellschaft bzw. Crowdsourcing-Plattformen wie Prolific oder Amazon Mechanical Turk.

Wie sich jedoch auch im oben angesprochenen Wissenschaftsbarometer zeigt, scheint die Zeit reif, um einen entscheidenden Schritt weiter zu gehen, also zum einen die breite Masse der Bevölkerung an der wissenschaftlichen Forschung aktiv teilhaben zu lassen und diese zum anderen auch deutlich stärker einzubeziehen – also im gesamten Forschungsprozess von der Formulierung der Forschungsfragen bis hin zur Interpretation und Kommunikation der Ergebnisse mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Um dies zu erreichen, haben wir es uns zum Ziel gesetzt, „Digital Citizen Science“ als neue, vielversprechende Forschungsmethode für die sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Forschung zu entwickeln und zu etablieren. Unsere Mission ist neben der Erweiterung des Teilnehmerkreises unserer Studien auf nicht-studentische Teilnehmer:innen insbesondere die Schaffung einer Möglichkeit zur aktiven Beteiligung am wissenschaftlichen Erkenntnisprozess für alle interessierten Menschen – unabhängig von Alter, Bildungshintergrund oder persönlicher Situation. Bürger:innen werden dabei zu Citizen Scientists, die nicht nur Daten liefern, sondern auch auf einer digitalen Partizipationsplattform vernetzt sind, um transparent und interaktiv eigene Forschungsfragen zu stellen, Hypothesen zu artikulieren und zu diskutieren.

Eine der größten Herausforderungen auf dem Weg zu diesem Ziel ist die Frage, wie Bürger:innen initial erreicht und langfristig für diese Art der partizipativen Forschung begeistert werden können. Im Unterschied zu Studierenden sind beispielsweise Arbeitnehmer:innen terminlich deutlich stärker eingebunden, sodass die Möglichkeit zur Studienteilnahme in deren Freizeit, also vermehrt am Abend oder Wochenende gegeben sein muss. In einer kleinen Umfrage haben wir bereits erfahren, dass viele Bürger:innen eher intrinsisch, also beispielsweise aus Interesse an den Forschungsergebnissen und weniger extrinsisch, also beispielsweise durch die Erwartung einer monetären Belohnung, motiviert sind, sich an Forschungsprojekten zu beteiligen. Die Gestaltung dieser Rahmenbedingungen ist zentraler Bestandteil unseres Forschungsprojekts. Doch genau an dieser Stelle beißt sich sprichwörtlich die Katze in den Schwanz: Um zu lernen, wie sich Bürger:innen für die gemeinsame Forschung im Sinne von „Digital Citizen Science“ erreichen, gewinnen und begeistern lassen, müssen wir genau diejenigen erreichen, zu denen uns bislang der Zugang fehlt.

Ein möglicher Lösungsansatz hierfür ist, direkt im öffentlichen Raum in Form von stationären und mobilen Kiosksystemen sichtbar zu werden.

Bei dem Wort Kiosk denken Sie an eine Bude, an der Sie Zeitungen oder Snacks erwerben können? Das Bild, das Sie nun im Kopf haben, entspricht nicht ganz dem, was wir vorhaben. Doch das Konzept ist vergleichbar: Wie jeder erfolgreiche Kiosk, stehen auch unsere Kioske an zentralen Orten mit viel Publikumsverkehr. Es handelt sich allerdings nicht um kleine Verkaufsstände, sondern große Touchscreens.

Oberfläche Kiosk


Es gibt keine Verkäufer:innen, sondern einen zentralen Server, der die Inhalte bereitstellt. Der oder die Kioskbesucher:in hat über den Bildschirm Zugriff auf verschiedene Inhalte: Es gibt Informationen zum Thema Digital Citizen Science und zu den Möglichkeiten aktiv mitzumachen. Man kann direkt am Kiok an kleinen Studien teilnehmen. Und man kann sich in einem Panel registrieren, um zu weiteren Studien eingeladen zu werden. Gerade in Zeiten, in denen das öffentliche Leben stark eingeschränkt werden muss und kaum „Laufkundschaft“ an öffentlichen Plätzen zu erwarten ist, braucht es aber auch alternative Möglichkeiten, um die Bevölkerung zu erreichen. Daher wird es auch möglich sein, auf die Inhalte der Kioske mobil und auf dem persönlichen Endgerät zuzugreifen – beispielsweise über Links oder QR-Codes, die über Plakate, Print- und Onlinemedien oder Social-Media Kanäle gestreut werden.

Für den langfristigen Projekterfolg wird es entscheidend sein, die Bürger:innen nicht nur einmalig, sondern immer wieder zu erreichen. Langfristiges Ziel ist daher der Aufbau eines Haushaltspanels, über das auch komplexere Studien abgewickelt werden können. Um gemeinsam mit Bürger:innen zu erforschen, wie sich die Pandemie auf das allgemeine Wohlbefinden auswirkt oder wie es Menschen im Home-Office ergeht, könnten den Citizen Scientists Geräte zur Datenerhebung zur Verfügung gestellt werden, die es ihnen ermöglichen, eigene Forschungsprojekte durchzuführen.

Digital Citizen Science wird die gesellschaftliche Akzeptanz wissenschaftlicher Ergebnisse erhöhen und verstärkt Bürger*innen darin ermuntern, Informationen aus Forschungsprojekten kritisch zu hinterfragen und reflektiert zu bewerten – auch, um sich eine qualifizierte Meinung zu bilden und informierte(re) Entscheidungen im Alltag zu treffen. Gegenseitige Erreichbarkeit ist für Bürger:innen und Wissenschaftler:innen in diesem bei diesem Vorhaben von zentraler Bedeutung – als Leser:in dieses Beitrags haben wir Sie bereits erreicht und freuen uns, wenn Sie unser Projekt weiter verfolgen und evtl. sogar selbst als Citizen Scientist mit uns forschen!

Bitte finden Sie weitere Informationen zu unserem digilog@bw-Projekt "Bürgerpanel" hier
und aktuelle Informationen unter https://www.kd2lab.kit.edu/203.php.


1 https://www.wissenschaft-im-dialog.de/projekte/wissenschaftsbarometer/wissenschaftsbarometer-corona-spezial/

2 https://www.wissenschaft-im-dialog.de/fileadmin/user_upload/Projekte/Wissenschaftsbarometer/Dokumente_19/Broschuere_Wissenschaftsbarometer2019.pdf

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